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Kurort Bad Kissingen

Wort zum Sonntag, 24.12.2023

von Martin Hild, ev. luth. Pfarrer von Münnerstadt

Flüchtlingskind ist der Heiland

Im Jahr 0 in einer Amtsstube in der Provinz Ägypten, Römisches Reich, könnte sich diese Begebenheit ereignet haben. Ähnlichkeiten mit dem europäischen Asylverfahren sind aus systemischen Gründen durchaus möglich.

Beamter: Ave. Was möchten Sie von mir?

Josef: Guten Tag. Ich bitte um Asyl für meine Frau und ihr neugeborenes Kind.

Beamter: Asyl? Asyl? Das Wort kommt doch aus dieser Provinz Judäa. Früher hat man
Fremde einfach versklavt, das war viel einfacher.

Josef: Unser Gott hat geboten, dass man in Fällen von Verfolgung Asylstädte aufsuchen
soll. Ich hoffe, das kann ich hier auch.

Beamter: Na gut, dann nehme ich hier einfach den Freiwilligen-Versklavungsantrag und
schreibe statt dessen das Wort Asyl darauf. Hier, bitte: Füllen Sie das korrekt aus!

Er reicht Josef einige Schreibtafeln herüber, in griechischer und römischer Sprache.

Josef: Entschuldigen Sie bitte, das verstehe ich nicht. Ich kann nur die hebräische Schrift.

Beamter: Sie machen mir unnötige Mühe. Warum kommen diese Flüchtlinge nicht einfach mit
perfekten Kenntnissen unserer Kultur und Sprachen hier an? Sie sollten sich besser
vorbereiten.

Maria: Es war ja nicht unsere Idee, hierher zu kommen. Wir mussten fliehen! Wir waren in
Lebensgefahr. Zum Glück wurden wir gerade rechtzeitig gewarnt.

Beamter (interessiert): Soso. Das klingt ja nach einem Fluchthelfer. Verraten Sie mir doch gleich
mal den Namen und die Anschrift dieses Menschenschmugglers?

Josef: Er hieß Gabriel. Er wohnt im Himmel, denn er ist ein Erzengel.

Das Baby im Weidenkorb ist erschreckt vom aufgebrachten Tonfall des Beamten. Es jammert. Maria drückt es an ihr Herz und stillt es dann liebevoll. Der Beamte schaut etwas pikiert zur Seite.

Beamter: Immer diese Ausreden. Naja, weiter im Text. Namen und Berufe?

Josef: Ich bin Josef, Zimmermann aus Nazareth, in Betlehem geboren. Das ist meine Frau
Maria. Wir haben vor kurzem erst geheiratet. Und das ist ihr Kind Jesus. Das heißt
in Ihrer Sprache: „Retter“. Manche haben es auch Immanuel genannt. Das heißt
„Gott mit uns“.

Beamter: Das Kind Ihrer Frau? Klingt so, als wären Sie nicht der Vater?

Josef (etwas betreten): Nicht direkt. Aber ich werde mich um es kümmern wie ein guter Vater.

Beamter: Nana, da schauen wir doch erst mal, ob wir den leiblichen Vater zum Unterhalt
verpflichten können. Name und Adresse?

Maria (schaut auf): Das Kind ist Gottes Kind.

Beamter: Ach stimmt, ihr seid ja Juden. Ihr behauptet alle, dass Ihr Gottes Töchter und Söhne
seid. Aber wie gesagt, den Namen des leiblichen Vaters bräuchte ich.

Maria: Das Kind ist vom Heiligen Geist. Gott hat ihn mir vom Himmel gesandt, damit Gottes
eingeborener Sohn Jesus geboren wird.

Josef: Konnte ich zuerst auch nicht glauben. Aber Gabriel hat es mir im Traum bestätigt.
Also folgen wir gemeinsam Gottes Plan. Soweit ich den verstehe, wird Jesus selbst
die Gute Botschaft der Barmherzigkeit Gottes sein.

Beamter: Das passt alles so nicht ins Formular. Haben Sie Nachweise für diese Behauptungen?

Josef: Dies wurde so vorausgesagt in den Propheten der Heiligen Schrift. Der Heiland für die
Juden und die Heiden soll in Betlehem geboren werden, wo 1000 Jahre vor unserer
Zeit der Hirtenkönig David geboren wurde. Die Oberen in Jerusalem waren davon
überzeugt, dass es stimmt. Deshalb sind wir ja auf der Flucht!

Beamter: Wie bitte? Wenn die das glauben, müssten sie doch den Heiland mit Jubel
empfangen haben.

Josef: Nein, im Gegenteil. Der König Herodes hat Angst vor uns. Seine Schergen haben
hunderte Babys abgeschlachtet in der Gegend von Betlehem. Es war grauenhaft, was
wir auf der Flucht mitbekommen haben.

Beamter: Also eigentlich gilt Judäa als sicheres Herkunftsland. Da kann ich ihnen hier nur eine
zeitweise Duldung gewähren. Und liegen Sie uns bloß nicht auf der Tasche!

Josef: Ich arbeite gern als Schreiner für Euch. Wir warten hier nur ab, bis es den alten
Despoten Herodes erwischt. So schlimm wie der es treibt, wird Gottes Strafe für ihn
nicht lange auf sich warten lassen.

Maria: Schalom, mein Herr. Danke, dass sie uns aufgenommen haben.

Maria legt das Baby wieder in den Korb. Der Beamte folgt einem seltsamen Impuls. Er steht auf, kommt um den Schreibtisch herum und schaut in den Weidenkorb. Friedlich und zufrieden sieht das Kindlein aus. Es lächelt selig im Schlaf. Was für eine verrückte Geschichte, denkt der Beamte sich, aber dennoch: Könnte es wahr sein? Das Flüchtlingskind als Heiland der Welt?

Gesegnete Weihnachtstage! Habt aufmerksame Augen, Ohren und hilfreiche Hände für Menschen in Not! Ganz viel von Gottes Liebe in den Herzen wünsche ich besonders den Menschen in den Amtsstuben und den Menschen, die sich vor Fremden fürchten.

Ihr

ev.luth. Pfarrer Martin Hild, Münnerstadt.