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Kurort Bad Kissingen

Wort zum Sonntag 14.07.2024

Dirk Hönerlage, Prädikant im Oberen Sinngrund

Einladung aus heiterem Himmel

Ein lauschiges Weinfest zu besuchen – wir vier Studenten konnten uns kaum etwas Schöneres vorstellen. Deswegen machten wir uns an einem Sommerwochenende nach Breisach auf, tuckelten mit unseren beiden R4s Richtung Kaiserstuhl. Viel Geld hatten wir nicht, und um Kosten zu sparen bzw. lieber genügend ins Weinfest investieren zu können, beschlossen wir, in unseren Fahrzeugen zu nächtigen. Wir suchten uns eine ruhige Seitenstraße in einem Wohngebiet; so fielen keine Parkgebühren an und vermutlich würde uns auch keine nächtliche Polizeikontrolle behelligen. Nach einer intensiven Weinverköstigung zurück am Auto, drehten wir die Rückenlehnen der Vordersitze nach hinten, krochen verschwitzt und ohne Zähne zu putzen in unsere Schlafsäcke und fielen in den Schlaf der Seligen.

Plötzlich klopft es ans Autofenster. Aufschrecken. Polizei? Die Sonne steht schon hoch, strahlendes Licht. Abermaliges Klopfen. Zwei Kinder, ca. 6 und 8 Jahre alt, schauen neugierig in den Wagen. Wir drehen langsam die Scheiben herunter.

Unsere Mum sagt, ihr habt bestimmt Hunger. Wollt ihr nicht zum Mittagessen zu uns kommen?“ Ungläubiges Augenreiben der langhaarigen Gestalten. Vier „gestrandete“ Studenten, die sich nicht gerade durch Frische und Esprit auszeichnen, werden eingeladen, bei einer wildfremden Familie zum Sonntagsbraten einzukehren? Ernsthaft?

Doch die beiden Kinder wiederholen die Einladung, warten auf unsere Antwort.

Wir vier wechseln irritiert Blicke, sagen dann zu. Ein merkwürdiges Gefühl macht sich breit. Irgendwie erscheint alles irreal. Aber wir ziehen uns schnell saubere T-Shirts an und klingeln tatsächlich kurz darauf – etwas verlegen – an der Wohnungstür des Hauses, vor dem wir tags zuvor unsere Autos abgestellt hatten.

Eine Frau, ein Kleinkind auf dem Arm, öffnet, die beiden größeren Kinder – rechts und links von ihr – mustern uns neugierig. Wir treten ein. Durch die Wohnung wabert ein verlockender Bratenduft; der Hausherr nickt uns freundlich aus der offenen Küchentür zu.

Vier nicht eingeplante Gäste. Offensichtlich kein Problem. Es wird improvisiert. Den Wohnzimmertisch mit weißer Decke versehen, die Kissen vom Sofa entfernt (sodass dort Platz für drei Personen ist), Hocker und Kinderstuhl herbeigeschafft, Teller und Besteck verteilt. Dann aufgetischt.

Wir warten, dass der Hausherr das Menü eröffnet. Für einen Moment andächtige Stille. Dann greift er nach einem schmalen Buch, liest daraus ein Gebet vor. Und: Guten Appetit.

Es gab Gulasch, Nudeln und Weißbrot, das wir in die reichliche (verlängerte) Soße dippten. Ein wunderbares Essen, dessen Qualität sich nicht in Kalorien messen ließ. Warmherzige Gespräche inklusive.

Nach der Mahlzeit verabschiedeten wir uns dankerfüllt für die himmlische Einladung und die prägende Erfahrung einer gelebten (christlichen) Tischgemeinschaft.

Dieses Wochenende mit Wein und Brot und Gebet blieb uns unvergessen. Und wir nahmen uns vor, irgendwann einmal in unserem späteren Leben das Geschenk einer herzlichen spontanen Gastfreundschaft ebenfalls an Fremde weiterzugeben.

Gute Taten sind die Samenkörner guter Taten. (Irisches Sprichwort)

Dirk Hönerlage

Prädikant im Oberen Sinngrund