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Kurort Bad Kissingen

Wort zum Sonntag, 06.11.2022

Armin Haas, Pfarrer im Pastoralen Raum Bad Brückenau

Kirmesjockel

Zur Kirchweih in Lauter wird auf den Kirmesbaum feierlich eine Puppe hinaufgezogen, eine männliche Gestalt, die auf einem Stuhl sitzt. Man nennt sie den Kirmesjockel. Und wer an diesem Wochenende - es ist wie meistens in Franken das erste im November - auch zum Gottesdienst kommt, hört womöglich die biblische Geschichte vom Zachäus auf dem Baum. Aha, an den hat der „Jockel“ da draußen wohl einmal erinnern sollen!

Jener Mann, der zunächst einfach nur Jesus hatte sehen wollen, war der reiche Oberzöllner der Stadt Jericho. Auf einen Baum sei er gestiegen des besseren Ausblicks wegen, und weil er klein war und als Angestellter der römischen Besatzer auch ein Außenseiter der jüdischen Gesellschaft.

Der tschechische Theologe und Soziologe Tomasz Halik überlegt: Ist nicht diese sichere Distanz, aus der jemand nur zuschauen will, ziemlich typisch für viele Menschen unserer Zeit? Man interessiert sich sehr wohl, aber man will sich seine Freiheit bewahren, will sich (noch) nicht positionieren und jedenfalls nicht vereinnahmen lassen, von wem auch immer. Man beobachtet durchaus wach, was geschieht im Vereinsleben, in der Kirche, in der Politik - aber man hält sich erst mal raus.

Im Evangelium (Lk 19,1-10) ändert sich das, als Jesus genau diesen Mann auf dem Baum persönlich mit seinem Namen anspricht. Er bietet ihm seinen freundschaftlichen Besuch an, wohl wissend, dass er sich damit wieder einmal den verständnislosen Vorwürfen der Engagierten und Frommen aussetzt. Und als sie schließlich miteinander beim Mahl sitzen, verspricht der bisherige Betrüger großzügige Wiedergutmachung und dass er seinen Reichtum von nun an mit den Armen teilen will. Für Jesus ist damit klar, dass auch dieser Mann doch dazugehört, zur Volksgemeinschaft und zu Gott: „Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden.“

Wo ein kritisch distanzierter Mensch den Segen der Gemeinschaft für sich erkennt und beginnt, sich einzubringen, da ist offensichtlich Heilung geschehen. Mut zum Vertrauen und entschiedene Mitverantwortung sind das Lebenselexier des sozialen Miteinanders. Und dass da einer grundsätzlich erst mal an das Gute in einem ihm noch unbekannten Menschen geglaubt hat, das hat tatsächlich dessen verschüttete Schätze in der Seele freilegen und lebendig machen können.
„Zachäus, steig schnell vom Baum herunter,“ so hatte Jesus ihn sogar etwas gedrängt. Offensichtlich darf man sich für wichtige Entscheidungen auch nicht zu lange Zeit lassen. Da gibt es einen inneren Impuls, den es zu prüfen und dem es dann beherzt zu folgen gilt. Wer zu lange überlegt, wird einsamer Zuschauer bleiben.

Tomasz Halik empfiehlt sehr, heutzutage mit jenen Zachäus-Gestalten am Rande zu rechnen, die eigentlich doch auf der Suche sind, und die erkannt und persönlich angesprochen sein wollen. Und wir als aus guten Gründen kritische Zeitgenossen dürfen unser Interesse am sozialen Leben nicht aufgeben, sollten wach bleiben dafür, wo unsere Mitwirkung wirklich gefragt ist und notwendig gebraucht wird.

Der Kirmesjockel, der die Kirchweih auf seinem Baum verbracht hat, wird am Ende feierlich beerdigt. Ein Zachäus nimmt teil und bringt sich ein. Solche Menschen mit Herz und Engagement wachsen über sich hinaus, erleben Erfüllung und gestalten Zukunft.

Armin Haas, Pfarrer in Schondra