Thundorf (POW) „Eigentlich bin ich allergisch gegen Holz“, erzählt der 77-jährige Johann Germann und lacht, während er die Kellertreppe seines Hauses in Thundorf (Landkreis Bad Kissingen) hinabsteigt. „Wenn ich es anfasse, habe ich schon einen Spreißel drin.“ Die Luft in seiner Werkstatt ist kalt, und der Geruch von Holz und Leim steigt sofort in die Nase. Alles habe damit begonnen, dass sein Enkel sich vor fast 15 Jahren eine Klapper wünschte, die lauter als alle anderen ist. Germann hatte zwar keine Anleitung für den Bau, der gelernte Maschinenschlosser und spätere Fensterbauer wuchs allerdings auf dem Land auf und habe gelernt, „seine Augen aufzureißen“. Daher lieh er sich kurzerhand beim Bruder seiner Frau eine Klapper aus und baute sie für seinen Enkel nach. Gleich darauf gestaltete er eine Zweite nach gleichem Vorbild, dann noch eine, und schließlich besaß er über 20 Stück und verkaufte sie sogar auf der Thundorfer Dorfweihnacht.
Germann präsentiert ein großes Stück Hainbuche und wirkt dabei alles andere als allergisch. „Aus diesem Klotz entsteht an der Drechselmaschine die Walze“, erläutert er und holt den weitaus kleineren, sechskantigen Rohbau einer Walze hervor. „Besonders stolz bin ich auf das Holz. Jedes Stück kommt aus dem heimischen Wald.“ Eine selbstgebaute Drechselmaschine, die vom Motor einer Waschmaschine angetrieben wird, markiert den ersten Schritt in der Herstellung. Germann spannt die zukünftige Walze ein, startet die Maschine und setzt den Flachmeißel an. Der kleine, stämmige Mann mit den kräftigen Unterarmen verleiht dem Stück Holz die gewünschte, gerade Form. Er achtet dabei besonders auf das spätere Verbindungsstück zum sogenannten Korpus. So nennt sich der Hauptteil der Klapper, der entfernt an ein Xylophon erinnert.
Während er sich mit der frisch gedrechselten Walze für den nächsten Arbeitsschritt dem Standbohrer zuwendet, schildert er: „Man braucht eigentlich nur die paar Werkzeuge, die ich hier habe, um eine Klapper zu bauen. Deswegen haben das früher auch die Wagner und Schreiner gemacht, die hatten ja alles da.“ Er bohrt behutsam Löcher in regelmäßigen Abständen schräg versetzt in die Walze und erzählt dabei weiter. Früher habe es zwei oder drei Schreinereien gegeben in jedem Ort. Nichts sei fertig in einem Laden gekauft worden. Wenn einer ein Bett gebraucht habe, sei er zum Schreiner gegangen. Er selbst fertige genau genommen Kastenratschen, so heiße die Bauart mit einer Kurbel und dem Korpus als Klangkörper. „Viele sagen auch Ratsche. Andere sagen Rappel oder Rumpel. Also in Thundorf sagen wir Klapper. Am besten sagt jeder, was er will“, sagt er lachend.
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An der Werkbank spannt er ein kleines Stück Holz ein. „Jetzt kommen wir zu meiner Lieblingsarbeit!“, ruft er begeistert. „Das mache nämlich nur ich!“ Es gehe darum, Dübel für die Löcher in der Walze nach eigenem Maß anzufertigen. „Dafür braucht man vor allem zwei Dinge: viel Augenmaß und Gefühl“, flüstert er selbstsicher, während er ein dünnes Metallrohr an einem Akkubohrer befestigt. „Dieses scharfe Edelstahlröhrchen hat vorne Zacken. Damit lassen sich wunderbar Dübel aus dem Stück Holz fräsen.“ Auch dadurch sei jede seiner Klappern ein Einzelstück. So wie die Menschen unterschiedlich sind, seien auch die Klappern unterschiedlich. Gelassen und präzise fräst er einen Dübel nach dem anderen aus immer neuen Hölzern und schlägt sie anschließend mit einem kleinen Hammer in die Walze.
Weiterhin zeichne sich seine Bauweise dadurch aus, dass er bei den meisten seiner Kastenratschen auf den Einbau von Kugellagern an den Rändern der Walze verzichte. „Man erzählt den Leuten, wenn ein Kugellager drin ist, geht es leichter zu drehen. Das ist natürlich Quatsch hoch drei. Die kosten nur unnötig viel Geld. Lässt man stattdessen einen Millimeter Luft, ist da überhaupt keine Reibung, und selbst die kleinsten Kinder können ohne Probleme kurbeln.“ Fokussiert auf eben jenen Spielraum, verschraubt er die Walze zunächst mit dem Korpus und anschließend mit der Kurbel. Er habe sogar schon Klappern gebaut, die man beidhändig verwenden könne. Diese von ihm entwickelten Modelle seien ausschließlich verschraubt und nicht geleimt, sodass man sie mit einem Inbusschlüssel vom Betrieb mit der rechten auf den Betrieb mit der linken Hand umbauen könne.
Trotz all seiner Ideen für die Entwicklung von Klappern und seinem Spaß an diesem Handwerk stellt er klar: „In aller Eile eine Klapper bauen, das geht bei mir nicht. Obwohl die Herstellung an sich mir große Freude bereitet und ich sie auch verkaufe. Ich habe schon welche nach Ochsenfurt, Bad Brückenau und sogar München verschickt. Man kann mich immer gerne anrufen und fragen, ob ich welche dahabe, aber was weg ist, ist weg.“ Um seine Kosten in Teilen zu decken, berechne er pro Arbeitsstunde zehn Euro und könne Klappern so für etwa 60 Euro anbieten.
Feierlich verkündet der Rentner die letzten Handgriffe: „Jetzt müssen nur noch die Hämmer angeschraubt werden. Am besten fängt man außen an und arbeitet sich nach innen vor.“ Die Hämmer werden beim Kurbeln durch die Dübel nach oben gedrückt und bauen Spannung im Holz auf, bis sie schließlich von den Dübeln abrutschen und mit voller Wucht auf den Korpus schlagen. Neben dem Korpus als Hohlraum beeinflussen maßgeblich die Hämmer den Klang. Entscheidend seien dabei deren Länge und die Wahl des Holzes: Germann verbaut gerne Eschenholz, Kirsche oder Eiche. Alle drei seien sehr stabil und erzeugen damit eine hohe Spannung. In jedem Fall solle man Hartholz nehmen. „Man will ja auch noch in 20 oder 30 Jahren damit klappern.“ Ob er als Kind selber geklappert habe? „Nein, ich bin erst mit 21 konvertiert. Ich war früher evangelisch. Damit hat sich die Frage erledigt. Und mit 21 war ich dann doch schon zu alt“, stellt Germann seufzend fest, während er einen letzten Querbalken verleimt und verschraubt, um die Hämmer am anderen Ende zu fixieren.
Zufrieden begutachtet er sein Werk und reicht es seinem Enkel. Er soll die Klapper ausprobieren. Germann sieht seinen Enkel an und sagt, er erinnere sich noch genau daran, wie dieser aufgewachsen sei: „Bei uns ist das normal, dass die Kinder zur Kommunion eine Klapper geschenkt bekommen. Letztlich geht es ja in dieser Zeit des Jahres darum, dass man um fünf oder halb sechs aus dem Bett rauskommt, sich die dicke Jacke anzieht, seine Klapper schnappt und durchs Dorf läuft. Der Spaßfaktor ist garantiert.“
Marius Nieberle (POW)
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