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Kurort Bad Kissingen
Dokumentation

„Ein ganz aufmerksamer Zuhörer“

Predigt von Domdekan Dr. Jürgen Vorndran am Freitag, 27. Juni, im Würzburger Kiliansdom beim Requiem für Prälat Kurt Witzel

Liebe Familie Witzel,
trauernde Angehörige,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn, 


„Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“
- so hat es uns Jesus eben im Evangelium zugesagt. Wir leben als Christinnen und Christen aus der Überzeugung, dass der Herr für jeden und jede von uns einen ganz persönlichen Platz im Himmel geschaffen hat.
Jeder Mensch ist in den Augen Jesu ein kostbares Einzelstück, ein unverwechselbares Unikat, genauso wie Kurt Witzel ein unverwechselbarer Mensch war, ein Mann, der in seinem Leben ganz einzigartige Erfahrungen gemacht hat. Durch seinen Tod ist eine Lücke entstanden, die von keinem anderen geschlossen werden kann. Niemand kann diesen Menschen ersetzen, weil er einmalig war. 
In dieser, unserer Trauer suchen wir Trost. Dazu gehört die Erinnerung an ihn und an das, was er gewirkt hat und an das, was von ihm ausgegangen ist.

Da ist zunächst einmal die Familie als die Wurzel, aus der Kurt Witzel hervorgewachsen ist. Dass er ein „Ascheberger“ war, hörte man bei jedem Wort, das aus seinem Mund kam. Kein Wunder, er wurde am 19. September 1938 in der Heimatstadt seines Vaters, als erstes Kind der Eheleute August und Afra Witzel geboren. Es folgten die Geschwister Hildegard, Sieglinde und August, bis der Vater in den Krieg musste und die aus Nordheim in der Rhön stammende Mutter ihre Kinder 1944 zu ihren Eltern in die Rhön nahm. Dort erlebte Kurt seine Kindheit und die Geburt seines jüngsten Bruders Robert, nachdem der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Als die Familie 1953 wieder zurück nach Aschaffenburg zog, war Kurt bereits auf dem Gymnasium in Münnerstadt und wohnte im Studienseminar Sankt. Josef der Augustiner. In diese Wurzeln der Familie sind die Wurzeln seines Glaubens eng hineinverwoben. Nach dem Abitur beginnt er ein Maschinenbaustudium. Dann erklärt er der Familie, dass er entschieden sei, ins Priesterseminar in Würzburg einzutreten. Für seinen Vater brach damals eine Welt zusammen. Doch Kurt wollte mit seinem Leben etwas tun, „bei dem es mehr um den Menschen geht“, wie er bei seinem 80. Geburtstag rückblickend sagt. Heute auf den Tag genau vor 60 Jahren empfing er in der Seminarkirche St. Michael die Priesterweihe - wir sehen auf dem Bild hier im Altarraum den Moment der Salbung der Hände mit Chrisam durch Bischof Josef in der Seminarkirche Sankt Michael - der Kiliansdom sollte ja damals noch zwei Jahre lang Baustelle sein bis zur Wiedereröffnung im Jahr 1967.

Wenn ich das Charisma von Kurt Witzel in seinem priesterlichen Dienst ins Wort bringen sollte, dann brauche ich nur auf sein Foto im Sterbebildchen zu verweisen, das sein unnachahmliches Lächeln zeigt, mit dem er sein Gegenüber anzustrahlen vermochte. Wenn Kurt Witzel als Dompfarrer durch die Straßen Würzburgs lief, immer schnellen Schrittes und mit Hut, dann blieb er gerne stehen und strahlte sein Gegenüber mit ebendiesem Lächeln an. Da war ganz viel Empathie zu spüren. Er konnte sich ganz dezidiert auf seine Mitmenschen einlassen. Wenn es ihm auch schwerfiel, sich die Namen seiner Gesprächspartner zu merken, so war er doch ein ganz aufmerksamer Zuhörer. Man fühlte sich bei ihm angenommen und wertgeschätzt. Und er hatte ein großes Herz für die Nöte der Anderen.


Ich empfinde es als eine große Fügung, dass wir Kurt Witzel heute am 60. Jahrtag seiner Priesterweihe zu Grabe tragen. Ja, ich empfinde es als eine noch größere Fügung, dass wir dies am Herz-Jesu-Fest tun. Für mich ist Kurt Witzel ein Priester nach dem Herzen Jesu. Diese Herzensbildung aber hatte ihre Wurzeln im Glaubensleben seiner Familie, die ganz auf Gemeinschaft ausgerichtet war und ist. Seine Großneffen und -nichten stehen heute mit am Altar als Ministrantinnen und Ministranten, haben die Fürbitten vorbereitet und tragen sie vor und stimmen nachher im Kreuzgang am Ende der Beerdigung das Lied an, das sie mehr als alles andere mit ihrem Onkel Kurt verbinden. Darin kommt zum Ausdruck, dass Kurt Witzel neben seinen Ascheberger Wurzeln vom Temperament her ein Rhöner war. Seine Kindheit dort hatte ihn geprägt:  Geerdet, bedacht, erst überlegt, dann gesprochen, und in allem seine Liebe zu den Bergen. An freien Tagen nahm er seine langjährige Pfarrhausfrau Franziska Schmitt ins Auto und sie fuhren in die Rhön. Er kannte jeden Wanderweg, jede Rasthütte. Aber auch höhere Gipfel hat er erklommen. Sein Freijahr als Theologiestudent hatte er, wie könnte es anders sein, in Innsbruck verbracht. Begeisternd konnte er von seinen anspruchsvollen Bergtouren erzählen. Mit Jugendlichen zusammen erklomm er den Mont Blanc. So lange es seine Kräfte zuließen, verbrachte er seinen Urlaub beim Bergwandern, zuletzt viele Jahre im schweizerischen Davos. Seine Neffen und Nichten erzählen mit glänzenden Augen, wie Onkel Kurt auch sie für Bergtouren begeistert hat und ihnen das Skifahren beigebracht hat. Wenn die Gondel gen Berg fuhr, wurde nie geschwiegen, sondern immer gesungen. Dann stimmte Onkel Kurt seine Hymne an:

Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen
Steigen dem Gipfelkreuz zu
In unser‘n Herzen brennt eine Sehnsucht
Die lässt uns nimmer in Ruh.
 


Die Sehnsucht, die Kurt Witzel vom Maschinenbaustudium weg zum Eintritt ins Priesterseminar bewogen hatte, ließ ihn zeitlebens nicht los. Diese Sehnsucht verband er mit seinem Charisma einer überzeugenden Menschlichkeit. Die Herzlichkeit, in der er in seiner Familie in der Rhön aufgewachsen war, war eine Gabe, die für ihn zur Aufgabe wurde: Als Neupriester im Herzen der Rhön in Oberleichtersbach, als Militärseelsorger in Hammelburg und Militärdekan in Veitshöchheim, als Pfarrer in Lohr Sankt Pius und schließlich als Dompfarrer und Domkapitular am Kiliansdom sowie als Pfarrer von St. Peter und Paul und der Hofkirche: Nichts war ihm zuviel, gerade so, wie es in seinem Lieblingslied heißt:

Fels ist bezwungen, frei atmen Lungen
Ach, wie so schön ist die Welt
Handschlag, ein Lächeln, Mühen vergessen
Alles aufs Beste bestellt!

Doch wer das Herz immer offenhält, der lebt mit dem Risiko einer großen Verletzlichkeit. Auch das gehört zu Kurt Witzel, der im Jahr 2000 als Stadtdekan abgewählt wurde. Die Verbundenheit mit der Dompfarrei, die Wahl zum Domdekan durch das Domkapitel im Jahr 2002 und die bergende Gemeinschaft in seiner Großfamilie haben ihm geholfen, diese Erfahrung zu verarbeiten und sich umso enger mit seinem Herrn und Meister Jesus Christus zu verbinden, dessen verwundetes Herz wir am heutigen Tag, dem Herz Jesu Fest, verehren als Ort der Geborgenheit für eine oft so verwundete Welt. Kurt Witzel zog sich nicht zurück, sondern hielt sein Herz weiter offen für alle. Als er 2008 aus Altersgründen aus dem Domkapitel und der Pfarrseelsorge ausschied, suchte er ein neues Aufgabenfeld. Er wurde Spiritual der Erlöserschwestern in Würzburg. Die Menschen bei der Gottsuche begleiten, das war für ihn auch weiter entscheidend wichtig: Dass er sich daneben in der Krankenhauseelsorge engagierte, zeigt seine große Treue zu seinem Charisma: Menschen in Not die Treue zu halten. Damit war Kurt Witzel ganz in seinem Element und bezeugte, was er in seiner Hymne oft angestimmt hatte:

Lebt wohl, ihr Berge, sonnige Höhen
Bergvagabunden sind treu, ja treu.

Wir stehen heute am Sarg eines Menschen und Priesters, der mit seinem Lächeln und seinem Wesen Zeugnis gegeben hat für die Liebe und Verletzlichkeit des Herzens Jesu. 

Lieber Mitbruder Kurt Witzel,

du hast in einer Welt und in einer Kirche, die verletzlich ist und doch auch selbst andere verletzt, durch deine Menschlichkeit ein glaubwürdiges Zeugnis für die Liebe des Herzens Jesu gegeben. Möge Gott dir all dein Mühen lohnen, wenn er dir nun den Platz zuweist an seinem Tisch und seine Verheißung an dir erfüllt:  „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten.“ Amen.